Living in Limbo: Rights of asylum seekers denied
Südafrikas Asylsystem zeichnet sich aus als eins der progressivsten der Welt. Tatsächlich verbringen jedoch hunderttausende Asylsuchende Monate im Land, ohne dass ihnen überhaupt Papiere ausgestellt werden, die ihren Aufenthalt legalisieren. In einem Land, in dem sich xenophobische Angriffe stetig häufen, sind Asylsuchende zudem lebensbedrohlichen Risiken ausgesetzt. Der südafrikanischen Gesetzeslage zufolge ist Asylsuchenden die Einreise in das Land gestattet und der Zugang zum Arbeitsmarkt, der grundlegenden Gesundheitsversorgung sowie Bildung gewährleistet. Verankert sind die Rechte für Asylsuchende und Flüchtlinge in der südafrikanischen Verfassung und dem Refugees Act aus dem Jahr 1998.
Anstelle in der Praxis die Grundlagen für die Verwirklichung der Rechte Asylsuchender zu schaffen, wird die Mehrheit der Migrant_innen jedoch vom Department of Home Affairs (DHA) als „Wirtschaftsflüchtlinge“ abgetan und behauptet, dass deren Einreise nach Südafrika auf die Ausbeutung des Asylsystems abzielt. So werden Asylsuchende nicht nur im „Limbus“ zurückgelassen, sondern auch xenophobische Tendenzen innerhalb der Bevölkerung weiter angefacht und legitimiert.
Bereits das Ausbleiben einer akkuraten Differenzierung zwischen Asylsuchenden, Flüchtlingen, und Migrant_innen in Statistiken sowie in der allgemeinen Rhetorik führt zu falschen und widersprüchlichen Darstellungen der allgemeinen Lage Asylsuchender im Land. Recherchen von Amnesty International belegen Diskrepanzen in den vom Staat publizierten Statistiken über Fälle, die Asylfragen behandeln. Laut dem Special Rapporteur für Menschenrechte von Migrant_innen sind Asylsuchende damit zusätzlichen Diskriminierungspraktiken ausgesetzt.
Rechtlicher Rahmen
Die südafrikanische Bill of Rights garantiert, unter anderem, das Recht auf Gleichbehandlung, Bewegungsfreiheit, den Schutz der Menschenwürde, das Recht auf Wohnen sowie faires und angemessenes Verwaltungshandeln gegenüber jeder/m Einzelnen. Die Rechte von Flüchtlingen und Asylsuchenden werden einfachgesetzlich konkretisiert in dem Refugees Act aus dem Jahr 1998, zuletzt geändert 2015.
Im Juli 2017 veröffentlichte das DHA ein sog. „White Paper“ für internationale Migration. Die Akzentuierung des White Papers liegt dabei eindeutig auf sicherheitspolitischen Aspekten sowie dem Grenzschutz, anstatt auf menschenrechtlichen Gesichtspunkten. Entgegen dem geltenden Recht ist darin u.a. der Vorschlag formuliert, das Recht auf Arbeit und Studium für Migrant_innen insoweit abzuschaffen, als es automatisch für diese gilt. Ferner sollen „Asylum Seeker Processing Centres“ an der Grenze im Norden des Landes eingerichtet werden, in denen Asylsuchende zu verbleiben angehalten sind, solange ihr Asylantrag in Bearbeitung ist. Informationen darüber, wie diese Zentren organisiert und ausgestattet sein sollen, wurden bislang nicht veröffentlicht.
Des Weiteren ist der Vorschlag enthalten, Asyl zu versagen, wenn die Einreise nach Südafrika über einen „sicheren Drittstaat“ erfolgt ist, ohne zuvor in diesem Land Asyl beantragt haben. In Anbetracht dieser Vorhaben befürchtet Amnesty International, dass eine Umsetzung des White Papers gegen nationales sowie internationales Recht verstoßen würde.
Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte setzt fest, dass jede/r „das Recht hat, in anderen Ländern Schutz vor Verfolgung zu suchen und zu bekommen“. § 6 des südafrikanischen Refugee Acts sieht vor, dass der Act im Einklang mit internationalen Menschenrechtsinstrumenten, die sich auf den Flüchtlingsschutz beziehen, ausgelegt wird und Anwendung findet. Internationale Abkommen, denen Südafrika beigetreten ist, sind z.B. die Genfer Flüchtlingskonvention aus dem Jahr 1951 sowie deren Zusatzprotokoll (1967), die Flüchtlingskonvention der Organisation für Afrikanische Einheit (heute Afrikanische Union) von 1969 sowie der Pakt über bürgerliche und politische Rechte (Zivilpakt) von 1966.
Probleme in der Praxis im Einzelnen
Der südafrikanischen Gesetzeslage zufolge muss das erste Interview zur Überprüfung des Status der/des Betroffenen innerhalb der ersten 30 Tage nach Einreise in das Land gewährleistet werden. Eine Entscheidung darüber, ob der Asylantrag gestellt werden darf, soll innerhalb der ersten 180 Tage (6 Monate) erfolgen. Amnesty international identifiziert schwerwiegende Defizite in der Praxis der Migrationsbehörden, wie etwa in der Einhaltung von Verfahrensvorgaben und -fristen sowie dem Zugang zu Rechtsmitteln und rechtlichem Beistand. Zudem weist Südafrika mit 96% eine außerordentlich hohe Ablehnungsquote auf.
Asylum Seeker Permit
Asylsuchenden ist gem. § 22 des Refugee Acts von den zuständigen Stellen ein asylum seeker permit auszustellen. Damit soll gewährleistet werden, dass ihr Aufenthalt im Land während der Bearbeitungszeit ihres Antrags legal ist. In zahlreichen Fällen werden Asylsuchende jedoch vom DHA abgewiesen und verbleiben damit ohne jegliche Dokumente. Derartige Praktiken wurden bereits mehrmals gerichtlich beanstandet und als illegal und verfassungswidrig konstituiert (z.B. Tafira and Others v Ngozwane and Others).
Erneuerungen der temporären Aufenthaltserlaubnis sind grundsätzlich erst nach 6 Monaten erforderlich. Die Festlegung der Intervalle unterliegt in der Praxis jedoch der Willkür der Beamt_innen, die Erneuerungen in vielen Fällen bereits nach 1-3 Monate verlangen.
Zugang zu Registrierungs- und Asylverfahren
Auch ist Asylsuchenden der Zugang zu Registrierungs- und Asylverfahren faktisch häufig verwehrt. Zahlreiche zentrale Behördenstellen im Zuständigkeitsbereich der Migration und Asyl wurden geschlossen, obwohl die Schließungen gerichtlich als illegal befunden wurden. Refugee Reception Offices (RRO) können nur noch in Musina, Pretoria (Marabastad) und Durban besucht werden. Aus dieser geringen Anzahl an Kontaktstellen ergeben sich für viele Betroffene unbezahlbare und unzumutbar lange Anfahrtswege, teilweise unter Zurücklegung von Strecken bis zu 1900km. Zudem verzögern Warteschlangen vor den RROs und monatelange Terminblockierungen Zugang zu den Behörden. Kommen die Betroffenen während ihrer Aufenthaltszeit nicht in den Besitz der permit und anderer erforderlichen Dokumente, können sie als „illegale“ Migrant_innen inhaftiert und in ihre Heimatländer ausgewiesen werden. Die Möglichkeit in Südafrika zu arbeiten, Bildung oder gesundheitliche Versorgung zu erhalten, bleibt ihnen ohne die notwendigen Dokumente entzogen.
Entgegen der Auffassung der Human Rights Commission (Dabone & Others v Minister of Home Affairs & Another) und ohne Anhaltspunkte dazu im Refugee Act werden Asylsuchende teilweise dazu angehalten, sich auszuweisen als Voraussetzung dafür, einen Asylantrag stellen zu dürfen. Ist der/die Asylsuchende nicht im Besitz von Ausweisdokumenten, so führen oftmals falsche Einschätzungen ihrer nationalen Zugehörigkeit durch die Behörden dazu, dass der Asylantrag abgewiesen oder das Asylverfahren gar nicht erst eingeleitet wird.
Zudem mangelt es an Aufklärung und Unterstützung Asylsuchender im Verständnis der asylrechtlich relevanten Verfahren.
Kinderrechte
Nach südafrikanischem Recht hat ein in Südafrika geborenes Kind, dessen Elternteile beide ausländischer Herkunft sind, keinen Anspruch auf die südafrikanische Staatsbürgerschaft. Ein Anspruch auf die Ausstellung einer Geburtsurkunde steht ihnen hingegen zu. Faktische Hürden stellen sich jedoch bereits vor dem Hintergrund, dass vielen Asylsuchenden der Weg zu den relevanten Verfahren faktisch verwehrt bleibt und bereits im Vorfeld die Aushändigung erforderlicher Dokumente mangels Zutritt zu den Behörden häufig nicht erfolgt.
Xenophobische Gewalt
Die Verbreitung falscher Informationen durch die Medien sowie Behauptungen zulasten von Migrant_innen und Hassreden von Politiker_innen heizen die xenophobische Stimmung in Südafrika weiter an. Migrant_innen werden weitgehend mit dem illegalen Drogenhandel in Verbringung gebracht und damit pauschal als Kriminelle gebrandmarkt. Anderen wird vorgeworfen, den Einheimischen Arbeitsplätze wegzunehmen. So kam es in den letzten Jahren mehrmals zu Wellen exzessiver Gewalt gegen Migrant_innen, Plünderungen, Brandstiftung, und sogar Morden. Zuletzt brach am 19. März 2019 eine Gewaltwelle aus, die bis heute anhält.
Hier der komplette Bericht(englisch): Living in Limbo