Südafrika: Regierung versäumt das Versprechen einzuhalten, mehr als 2.000 Wohnhäuser in Marikana zur Verfügung zu stellen, während Sibanye-Stillwater sich der Verantwortung entzieht und mit dem Finger auf Lonmin zeigt.

Die Regierung hat es versäumt, die versprochenen 2.658 Häuser in Marikana zu liefern, und Sibanye-Stillwater entzieht sich der Rechenschaftspflicht, so das Centre for Applied Legal Studies und Amnesty International Südafrika heute anlässlich des zehnten Jahrestages des Massakers von Marikana.

“Zehn Jahre später hat sich die Situation in Marikana nicht geändert. Ein neues Unternehmen mag das Sagen haben, aber die schrecklichen Folgen des Bergbaus bleiben bestehen. Marikana ist ein Zeugnis für die Auswirkungen des Bergbaus in Südafrika. Solange das System nicht dahingehend überarbeitet wird, dass die Bergbaugemeinden an erster Stelle stehen, werden weiterhin Profite über die Menschen gestellt”, sagte Dr. Louis Snyman, Leiter des Bereichs Umweltgerechtigkeit am Centre for Applied Legal Studies.

Im Jahr 2015 stellte die Farlam-Kommission, die gerichtliche Untersuchungskommission, die die Ereignisse untersuchte, die zum Tod von 44 Menschen führten (einschließlich der zehn Menschen, die in den Tagen vor dem Marikana-Massaker getötet wurden), fest, dass Lonmin die Bedingungen seines rechtlich verbindlichen Social Labour Plan (SLP) in Bezug auf die Unterbringung nicht eingehalten hatte und dass das Unternehmen “ein Umfeld geschaffen hatte, das die Entstehung von Spannungen und Arbeitsunruhen begünstigte”, indem es die Unterbringungssituation in Marikana nicht angegangen war.

Jüngsten Berichten zufolge wurden seit Beginn des integrierten Entwicklungsprojekts Marikana Extension 2 im Haushaltsjahr 2014/15 nur 544 der von der Regierung zugesagten 2.658 Häuser fertiggestellt. Nach Angaben der Regierung sollten die Häuser über einen Zeitraum von drei Jahren bereitgestellt werden. Das Projekt kam zustande, nachdem der damalige Eigentümer Lonmin (heute Sibanye-Stillwater) 50 Hektar bewirtschaftetes Land gespendet hatte, das für den Bau von Unterkünften durch die Regierung für Mitarbeiter:innen und Gemeindemitglieder vorgesehen war.

Dies ist nicht das einzige gebrochene Versprechen.

In seinem SLP aus dem Jahr 2006 verpflichtete sich Lonmin zum Bau von 5.500 Häusern für seine Wanderarbeiter:innen, baute aber nur drei. Das Unternehmen behauptete, es habe keine Finanzpartner:innen gefunden und die Arbeiter:innen hätten die Häuser nicht kaufen wollen, weshalb die Häuser nicht gebaut worden seien. Die Farlam-Kommission wies diese Erklärung zurück, nicht zuletzt, weil dies nicht dem SLP von Lonmin entspricht. Der SLP enthielt ein Kapitalbudget für das Wohnungsbauprogramm, und sah vor, dass die Wohnungen zur Vermietung und zum Verkauf angeboten werden, aber erwähnte hingegen nicht, dass die Pläne von einer Partnerschaft mit Bauträger:innen abhingen.

Im Jahr 2014 legte Lonmin ein überarbeitetes SLP vor, in dem es sich zum Bau von Infill-Apartments, d. h. Wohnblöcken, die zwischen Gebäuden errichtet werden, verpflichtete. Laut dem damaligen Präsidenten Jacob Zuma sollten diese Wohnungen die 5.500 Häuser ersetzen, zu denen sich das Unternehmen verpflichtet hatte, und 85 % des Mietbedarfs der Mitarbeiter:innen decken, die nicht an Wohneigentum interessiert waren. Lonmin hat im Rahmen dieses Projekts nur 1.240 Wohnungen gebaut, obwohl der SLP des Unternehmens aus dem Jahr 2013 darauf hingewiesen hatte, dass in den nächsten fünf Jahren die Möglichkeit zum Bau von 4.000 Wohnungen besteht.

“Das Versäumnis der Regierung, ihre Versprechen einzuhalten und das Bergwerk zur Rechenschaft zu ziehen, wirkt sich negativ auf die Menschenrechte aus, in diesem Fall auf das Recht auf Zugang zu angemessenem Wohnraum. Dem Bergwerk zufolge leben 37 % aller Beschäftigten in informellen Verhältnissen”, sagte die Geschäftsführerin von Amnesty International Südafrika, Shenilla Mohamed.

Aus den von Sibanye-Stillwater zur Verfügung gestellten Dokumenten geht hervor, dass eine 2017 durchgeführte Mitarbeiter:innen-Befragung ergab, dass 63 % der Beschäftigten daran interessiert seien, in ihren Arbeitsplatz zu investieren (davon wöllten 33 % ein Haus kaufen, 28 % ihr Haus aufrüsten und 27 % bauen und benötigten dafür einen Kredit). In ihrem SLP 2019-2023 heißt es weiter, dass 65 % der Beschäftigten Probleme mit der Kreditwürdigkeit und 29 % mit der Erschwinglichkeit des Hauskaufs haben.

Laut dem „Integrated Report“ des Unternehmens für das Jahr 2021 heißt es, dass in Marikana vier Transaktionen für Wohneigentum abgeschlossen wurden und weitere 53 Transaktionen für Wohneigentum zur Übertragung eingereicht wurden.

Das Bergwerk hat zwar versprochen, überschuldete und kreditunwürdige Mitarbeiter:innen zu unterstützen, um ihre Kreditwürdigkeit “so weit wie möglich” wiederherzustellen, hat aber noch nicht mitgeteilt, wie dies im Einzelnen geschehen soll und wie dies gemessen werden soll. Der aktuelle SLP enthält auch keine spezifischen und klaren Zielvorgaben für den Wohnungsbau.

Auf die Frage hin nach diesen Zielen sagte Sibanye-Stillwater: “Wir werden versuchen, im Namen von Lonmin so weit wie möglich zu antworten, was wir in unseren Akten finden konnten. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass wir die Mine nicht betrieben haben, als einige der Maßnahmen ergriffen wurden, und unsere Ansichten nur auf der Grundlage von Beobachtungen aus zweiter Hand darlegen können. Unser Zeithorizont ist 2019, und das neue SLP, auf das Sie sich beziehen, wurde ursprünglich von Lonmin eingereicht und erst vor kurzem genehmigt, so dass wir es jetzt umsetzen, um den Rückstand der Jahre aufzuholen, in denen es noch nicht zur Umsetzung genehmigt war”.

Als das Wettbewerbsgericht 2018 den Zusammenschluss von Sibanye Stillwater und Lonmin genehmigte, erklärte es auch, dass alle Parteien zustimmten, dass “Sibanye alle bestehenden und zukünftigen SLP-Verpflichtungen von Lonmin einhalten wird”. Damit sollte sichergestellt werden, dass “keine Verpflichtungen infolge dieser Transaktion erlöschen oder verwässert werden”.

Obwohl das Bergwerk bei einem Treffen am 3. August 2022 versprochen hatte, seine jährlichen Berichte über die Einhaltung der Vorschriften weiterzugeben, hat es sich seitdem diesbezüglich geweigert: “Wir empfehlen Ihnen daher, sich an das Regionalbüro zu wenden, um die Berichte zu erhalten, da sie personenbezogene Daten enthalten (der SLP enthält noch andere Elemente als die Entwicklung der Bergwerksgemeinschaft und enthält in anderen Abschnitten auch private Daten anderer Interessengruppen)”. In einer weiteren E-Mail fügte das Bergwerk hinzu, dass seine Vertreter:innen während des Treffens “die Berichte, die wir für MCD [Mine Community Development] erstellen, meinten, nicht den gesamten [Konformitätsbericht], der andere Elemente enthält, die nicht mit Mine Community Development in Verbindung stehen”.

Amnesty International Südafrika und CALS haben beim Ministerium für Bodenschätze und Energie einen Antrag auf Förderung des Zugangs zu Informationen in Bezug auf die jährlichen Berichte zur Einhaltung der Vorschriften gestellt und warten auf eine Antwort. Wir haben auch an den Minister für Siedlungsangelegenheiten geschrieben und um weitere Informationen in Bezug auf das integrierte Entwicklungsprojekt Marikana Extension 2 gebeten und noch keine Antwort erhalten.

Hintergrund

 Am 16. August 2012 erschoss die südafrikanische Polizei 34 Männer in Marikana in der Nordwestprovinz Südafrikas. Die Männer waren Angestellte des Bergbauunternehmens Lonmin und hatten sich an einem Streik und Protestaktionen wegen der Löhne und Arbeitsbedingungen in der Mine beteiligt. Das Ausmaß und die Öffentlichkeitswirksamkeit der Morde sowie die wachsenden Unruhen im gesamten Bergbausektor lösten eine nationale Krise aus.

CALS vertrat die südafrikanische Menschenrechtskommission bei der Marikana-Untersuchungskommission und gab Stellungnahmen zum Sozial- und Arbeitsplan von Lonmin ab.

CALS nahm außerdem im Namen von Sikhala Sonke an den Anhörungen des Wettbewerbsgerichts zur Fusion von Lonmin und Sibanye teil, um sicherzustellen, dass die Bedingungen der SLP berücksichtigt werden.

Im Jahr 2016 veröffentlichte Amnesty International einen Bericht mit dem Titel Smoke and mirrors: Lonmin’s failure to address housing conditions at Marikana.

20. August 2022